Eisenhüttenstadt: Transformation von Wohnen, Infrastruktur und Kultur

Bereits für die zweite Station der Baukultur Sommerreise machte die Bundesstiftung Halt in Eisenhüttenstadt und war zu Gast im Hotel Lunik. Die ca. 80 Teilnehmenden, Vertreter und Vetreterinnen der Stadt, der Wirtschaft und Akteure und Akteurinnen aus der Öffentlichkeit diskutierten, wie in der einstigen Modellstadt der DDR die Transformation von Wohnen, Infrastruktur und Kultur gelingen kann. Veranstaltungspartner des Baukulturdialogs war das Institut für Ostmoderne e.V., Martin Maleschka, Kooperationspartner die Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft.

Die Planstadt Eisenhüttenstadt gilt wie Wolfsburg oder Salzgitter als Paradebeispiel für eine der Industrieproduktion folgenden Stadtgründung. Sie wurde als Ideal der sozialistischen Wohnstadt für das Eisenhüttenkombinat in 1950 geplant und in den folgenden Jahren gebaut und weiterentwickelt. Die Qualität der Gestaltung und der Materialien, die vor allem in den Anfangsjahren zum Einsatz kam, ist heute noch in den inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Bereichen zu sehen. Die Wohnbauten beeindruckten auch die Teilnehmenden auf ihrem Rundgang durch die Stadt. Durch den baulich guten Zustand der Wohnkomplexe, entsteht ein gepflegtes Straßenbild, anders als in den Neubaugebieten mit den Platten- und Großtafelbauten, in denen Abriss und Rückbau ihre Spuren hinterlassen haben.

Gleichzeitig – und auch das wurde auf dem durch Oliver Funke, Geschäftsführer, Eisenhüttenstädter Gebäudewirtschaft und Stanley Fuls, Vorstandsvorsitzender, Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft geführten Besichtigungen durch die Stadt deutlich – wirkte die Stadt wenig belebt. In den Wohnkomplexen fehlt die Bäckerei oder das Lokal an der Ecke, die zufällige Begegnungen und Austausch unter Nachbarn ermöglichen. Und selbst die Hauptstraße und das Zentrum waren wenig frequentiert, mag es an der sommerlichen Hitze an dem Tag gelegen haben – den meisten Teilnehmenden kam es mehr wie die alltägliche Realität vor. Das geschlossene Kino scheint nur ein Beispiel für die fehlende soziale Infrastruktur zu sein, ebenso wie das Hotel Lunik, das nun langsam aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen scheint. Martin Maleschka nahm uns mit auf eine Zeitreise durch das Hotel und führte uns dessen ehemalige Schönheit vor Augen.

Flächendenkmal Eisenhüttenstadt

Diese verschiedenen Eindrücke hallten auch in den anschließenden Diskussionen und Impulsvorträgen wider. Wie eng Wohnungsbau, Infrastruktur und Kultur in Eisenhüttenstadt miteinander verbunden sind, wurde vor allem in den Impulsvorträgen von Prof. Dr. Philipp Meuser, Meuser Architekten, Michael Reh, Bereichsleiter Stadtentwicklung, Stadt Eisenhüttenstadt und Martin Maleschka deutlich. Eisenhüttenstadt sollte zu einer Idealstadt der damaligen DDR werden und war gleichzeitig als Leuchtturmprojekt des industriellen Wohnungsbaus angelegt. Philipp Meuser sieht vor allem in den frühen Wohnungsbaukomplexen ein gutes Beispiel für hochwertige mehrgeschossige Bauweisen. Auf die Herausforderungen, die das Flächendenkmal an die aktuelle Stadtentwicklung stellt, ging Michael Reh ein und Martin Maleschka ordnete die Kunst am Bau in Eisenhüttenstadt in einen größeren Gesamtkontext ein.

Stadt des Experimentierens

Max Kaldenhoff, Projektleiter bei der Bundesstiftung Baukultur, stellte in seinem Vortrag des Baukulturberichts 2024/25 die Bedeutung der sozialen Infrastruktur für eine lebendige Stadt in den Vordergrund. Er schaffte damit die Überleitung zu der anschließenden Diskussionsrunde, die Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, moderierte. Die Planstadt Eisenhüttenstadt stand einst für ein Ausprobieren und Experimentieren. Diese ursprüngliche Ausrichtung könnte man sich auch heute zunutze machen. Denn bei der Transformation der Utopiestadt „Eisenhüttenstadt“ geht es um nichts Geringeres, als eine neue Ausrichtung für die Stadt zu entwickeln und sie damit in die Zukunft zu führen. Erste Ideen für die Belebung gibt es bereits, das wurde in der Diskussionsrunde mit Verena Sdorra, Geschäftsführerin QualifizierungsCENTRUM der Wirtschaft GmbH, Jacqueline Böttcher, Geschäftsführerin und Schulzentrumsleiterin, Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe e.V., Anne Krapp, Club Marchwitza, Kathrin Schilling, Leitung Tourismusinformation und den Referierenden des Tages schnell deutlich: Eine Summer School in Zusammenarbeit mit der TU Cottbus mit Kursen zum Thema Architektur, Städtebau und Stadtentwicklung war bereits im Gespräch ebenso wie der Ausbau und die Erweiterung der ansässigen Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe e.V..

Angesichts dessen, dass 76 Prozent des Wohnungsbestands Genossenschaften gehört, könnte Eisenhüttenstadt auch zu einer Art Blaupause für Konzepte für bezahlbares Wohnen werden. Die großen Freiflächen ließen sich gut zu konsumfreien Zonen und Orten der Gemeinschaft weiterentwickeln.

Auch die Rolle einer guten Mobilitätsinfrastruktur wurde diskutiert. Denn mit dem Zug kommt der Zuzug, so die Aussage einer Teilnehmenden. Welche Auswirkungen eine gute Erreichbarkeit durch das öffentliche Verkehrsnetz auf die Entwicklung einer Stadt hat, wird am Beispiel von Wittenberge deutlich. Die Kleinstadt verzeichnet, im Unterschied zu vielen anderen Orten in der Prignitz, seit mehreren Jahren wieder steigende Einwohnerzahlen.

Die Diskussion war insgesamt geprägt von Aufbruchsstimmung und der Hoffnung, dass zum 75-jährigen Stadtjubiläum das Hotel Lunik in neuem Glanz erstrahlt und damit auch als Impulsgeber für die Transformation der Stadt wirken kann.

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