Buchempfehlungen aus dem Team der Bundesstiftung Baukultur

Max Kaldenhoff

„Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder“. Vor 50 Jahren erschien die Bildmappe des Schweizer Künstlers Jörg Müller zur Veränderung einer fiktiven Landschaft im Kanton Aargau. Die wimmelbildartigen Illustrationen zeigen die Zubetonierung einer ruralen Umgebung. Hinter den spielerischen Illustrationen steckt eine ernstgemeinte Kritik am ungebremsten Fortschrittsglauben der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. 

Der Baukulturbericht 2024/25 wird sich dem Thema „Infrastrukturen“ widmen. Viele der in Müllers Illustrationen dargestellten baulichen Auswirkungen auf den Raum sind heute allgegenwärtig. Gleichzeitig sind ihre Strukturen marode. Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern zusätzlich ein Umdenken im Umgang mit unseren Infrastrukturen. Zum Auftakt in die Adventszeit und als Einstieg ins Thema Infrastrukturen bietet Müllers Bilderbuch einen spielerischen Zugang. Das Bilderbuch ist im Verlag FISCHER Sauerländer erhältlich und für Baukulturinteressierte ab 4 Jahren geeignet. 


Katharina Stahlhoven

Advent heißt Ankunft. „Endlich ins Handeln zu kommen, gilt als eine der plausibelsten Aufforderungen überhaupt. Endlich zu handeln, fordert dazu auf, einen Schnitt in die Welt zu setzen und sie zu verändern. Der Begriff des Handelns hat in diesem Sinne etwas Emanzipatorisches. Er setzt Aktivität gegen Passivität, Autonomie gegen Heteronomie, Kontrolle gegen Widerfahrnisse.“, Armin Nassehi.

In der Cornelsen Studie „Schule zukunftsfähig machen“ sagten 95 Prozent aller Befragten Schulleitungen: „Schule soll die Verantwortung und Selbständigkeit von Kindern und Jugendlichen fördern.“ Denn wir brauchen multiprofessionelle, im Team denkende Menschen, um die Aufgaben der Menschheit für die Zukunft lösen zu können. Menschen, die handeln wollen und handeln können.

Dafür brauchen wir Bildung und baukulturelle Themen in der Bildung. Denn baukulturelle Bildung ist demokratische Bildung, Umweltbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und berührt immer gesellschaftsrelevante Themen. Armin Nassehi erklärt in seinem neuen Buch „Ein Glossar der öffentlichen Rede“ gesellschaftliche Grundbegriffe der Gegenwart. Kein Buch für Kinder. Ein Buch, das den demokratischen Diskurs und schulisches Arbeiten begleiten kann, um Kinder zum eigenen Handeln zu empowern. Denn nicht zuletzt wünschen wir uns für alle Menschen, ästhetische Erfahrungen der Selbstwirksamkeit des eigenen Handelns, damit unsere Welt und die gebaute Umgebung eine schöne, eine gestaltete Welt ist.


Belinda Rukschico

Auf dem ersten Bild von "Die Schwerkraft von Ideen. Eine Designgeschichte – Band 1" ist eine Axt aus Feuerstein um 5000 v. Chr. zu sehen. Autor Claude Lichtenstein erzählt die Kulturgeschichte der Menschheit als Designgeschichte und verbindet dabei aufschlussreich und anschaulich gesellschaftliche Entwicklungen sowohl mit technischen Innovationen und Produktions- und Arbeitsbedingungen als auch mit gestalterischen Ansprüchen und Gebrauchsnotwendigkeiten. Mit viel Hintergrundwissen werden Bezüge von einer Ideenfindung über handwerkliche Techniken und Materialeigenschaften bis hin zum Enderzeugnis hergestellt – unter Einordnung historischer Begebenheiten und Rahmenbedingungen. Besonders lesenswert ist das Kapitel zum Einzug der Industrialisierung und damit einhergehend die Veränderung in der Einordnung von industriell hergestellten Produkten durch die Gesellschaft.   

Das letzte Bild des zweiten Bandes zeigt eine kompostierbare Lebensmittelfolie aus Fischabfällen. Somit enden die beiden Publikationen mit der Neuordnung aktueller Rahmenbedingungen, in der Ideen künftig zu ressourcen- und umweltschonenden Lösungen führen müssen. Zwischen beiden Abbildungen spannt Claude Lichtenstein eine unterhaltsame und erkenntnisreise Designgeschichte auf, die einfach Freude beim Lesen bereitet.


Reiner Nagel

Josef war Zimmermann. Er war verantwortungsbewusst, pragmatisch und lösungsorientiert. Das mit dem Stall in Betlehem war eigentlich keine schlechte Lösung, zumindest war es trocken und vielleicht roch es nach Holz und Stroh. In der Weihnachtsgeschichte hat Josef eine Nebenrolle, wie noch heute in unserer Gesellschaft Handwerker und das Handwerk wenig Beachtung finden. KI gilt mehr als Echte Intelligenz. Dabei, so sagt der Soziologe Richard Sennett im ersten Band seiner Trilogie, dass die Trennung von Kopf und Hand dem Kopf schadet. Und tatsächlich gibt es keinen besseren Weg zur Selbstwirksamkeit, im wahrsten Sinne des Wortes, als durch die werksbezogene Arbeit unserer eigenen Hände. Zum Beispiel beim Planen und beim Bauen.  

Das sich gelungene Projekte nur durch gute Zusammenarbeit ins Werk setzen lassen und wir dazu eine inklusive Gesellschaft brauchen, wie sie das Handwerk schafft und fördert, wissen im Grunde alle Baukulturschaffenden. Vielleicht haben Sie trotzdem über die Feiertage noch mal Lust reinzulesen in die drei Bände der Trilogie Sennetts, die mit den Titeln „Handwerk“, „Zusammenarbeit“ und „Die Offene Stadt“ im Telegramstil die Handlungsebenen der Baukultur als Spannungsbogen umreißen. Oder Sie beginnen einfach mit dem ersten Band „Handwerk“.

Josef ist für viele immer noch und gerade heute am Heilgenabend, der diesmal auf den vierten Advent fällt, der Patron der Handwerker, Zimmerleute, Holzhauer, Schreiner und Ingenieure.

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