12. Architekturbiennale Venedig: Bundesstiftung Baukultur fordert gute Alltagsarchitektur

Der Deutsche Pavillon in Venedig erweist sich entgegen der kürzlich vorgetragenen Skepsis als geeigneter Ort für zeitgemäße Ausstellungskonzepte, wie der diesjährige deutsche Beitrag „Sehnsucht“ zeigt. Die Ausstellung des „Kuratorenkollektivs“ Cordula Rau, Eberhard Tröger und Ole W. Fischer von den walVERWANDTSCHAFTEN (München, Zürich, Bosten) unterstreicht die Raumwirkung des historischen Gebäudes. Ins Zentrum ihres Konzeptes stellen sie den "Roten Salon", dem es mit seiner umlaufenden roten Wandbespannung aus feinem venezianischem Stoff gelingt, eine private Atmosphäre und den Rahmen für 181 Skizzen verschiedenster Architektur- und Kulturschaffender zu kreieren, die ihre "Sehnsüchte" auf einem DIN A4 Blatt dargestellt haben. Am bemerkenswertesten erscheint jedoch der rückwärtig neu geschaffene Bezug zur Lagune und der Kulisse Venedigs. Hier wird „Sehnsucht“ stimuliert, wie sie nur am konkreten Beispiel und als persönliches Erlebnis möglich ist.


„Wie schon in den vorausgegangenen Ausstellungen stellten sich die Kuratoren auch in diesem Jahr künstlerisch den Herausforderungen des Gebäudes und zeigen, dass auch in monumentalisierender Architektur einer bauhistorisch und politisch belasteten Epoche eine großartige Schau zu zeitgenössischen Architekturthemen möglich ist“, sagt Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur.


Der ursprünglich von Daniele Donghi entworfene, antikisierende Bau erhielt sein vereinfachend „nationalsozialistisch“ genanntes Erscheinungsbild 1938 von Ernst Haiger. Kritiker sehen ihn deshalb als ungeeigneten Ort für zeitgenössische Präsentationen. Sie fordern ein Haus, das der demokratischen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland auch architektonisch Ausdruck verleiht. „Die Auseinandersetzung mit der Ikonographie von Baukultur ist wichtiger Bestandteil gelebter deutscher Geschichte, die nicht nur in Büchern sondern auch an Originalschauplätzen stehen sollte“, so Michael Braum. „Wir müssen Baustile als Zeichen ihrer Zeit verstehen, um Geschichte erfahrbar zu machen.“


In diesem Sinne empfiehlt es sich, die deutschen Beiträge zur Architekturbiennale zukünftig näher an konkrete Problemstellungen der Gegenwart heranzuführen. „So wichtig künstlerische Positionen für die Entwicklung von Baukultur sind, so elementar ist ihre Anbindung an den gelebten Alltag der Menschen“, meint Michael Braum. Nur wenn wir Mittel und Wege aufzeigen, unsere Sehnsüchte an die gestalterischen Herausforderungen unserer Schulen, Verkehrsbauten und anderen Orten anzubinden, können aus Visionen Wirklichkeiten werden. Deswegen sind die Alltagsorte stärker in den Fokus zu rücken als die Stararchitekturen, die sich vornehmlich auf den großen internationalen Architekturausstellungen tummeln. „Die Architekturbiennale stellt die Möglichkeit dar, mit dem architekturinteressierten Publikum eine Streitkultur über Lösungsansätze zu etablieren, die einen baukulturellen Anspruch haben“, betonte Michael Braum. „Gerade in unserem Alltag brauchen wir mehr Räume, in denen wir tatsächlich leben wollen. Die Beiträge zur Architekturbiennale müssen in Zukunft als Diskussionsplattform für Ansprüche und Lösungen gegenüber Baukultur im Alltäglichen genutzt werden.“

 

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