Baukultur im Klimawandel: Was riskiert die Stadt?

Wie kann die Identität von Städten bewahrt werden in Zeiten des energetischen Umbaus von Straßenzügen, Quartieren und Landschaften? Das diskutierten rund 80 Experten auf dem 2. bundesweiten Netzwerktreffen der Bundesstiftung Baukultur am 12. November 2012 im Aufbau Haus in Berlin.


Ob Quedlinburg, Frankfurt am Main, Hamburg oder das Eichsfeld in Thüringen: Ganze Städte und Regionen sollen heute energieeffizient sein. Was aber macht Stadtidentität aus? Wie kann man diese fördern – auch unter den Anforderungen der Energiewende? Soll man historischen Gebäuden ansehen, dass sie energieeffizient sind? Mit ihrem 2. bundesweiten Netzwerktreffen im Rahmen der von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Reihe „Baukultur im Klimawandel“ bot die Bundesstiftung Baukultur Experten die Möglichkeit darüber zu diskutieren. Auf dem Netzwerktreffen wurden vier baukulturell anspruchsvolle und energieeffiziente Projekte vorgestellt, welche die Stiftung aus vierzig Bewerbungen ausgewählt hatte.


„Mit großem Eifer nach Effizienz machen sich die Spezialisten in der Energiewende ans Werk. Gefährlicherweise gerät die Baukultur dabei aus dem Blickfeld. Das zeigt sich im städtischen Kontext, aber auch auf dem Land: Mit Dämmplatten vermummte Wohnsiedlungen, zu Kleinkraftwerken umgebaute Bauernhöfe oder hastig geplante Windparks sind Warnzeichen. Mit unserem Netzwerktreffen wollen wir den ,Reset-Knopf‘ drücken und Bedingungen für das, was Stadt ausmacht, diskutieren“, sagte Michael Braum , Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur.


Das Uniforme vermeiden und Dimensionen bewahren


„Die ideale Stadt muss Widersprüche fassen. Sie darf nicht nur funktional, sondern muss auch schön sein“, forderte Martina Löw , Professorin für Soziologin an der TU Darmstadt, in ihrem Vortrag über „Die Identität von Stadt“. Wie wichtig diese Identität sei, erkenne man daran, dass viele Personen sich mit den Städten, in denen sie leben, identifizieren. Stadtmarketing sei dann erfolgreich, wenn es an bestehende Elemente anknüpfe, wie die Kampagne „be Berlin“, welche auf die Unfertigkeit der Hauptstadt anspiele.


Wie aber entsteht Stadt baulich, und wie können Planer mit Neubauten an das baukulturelle Erbe anknüpfen? Das trug Anne Kaestle von duplex Architekten, Zürich, in dem Vortrag „Über identitätsstiftendes Bauen und Entwerfen“ vor. Die Architekten realisieren als Masterplaner das Wohnquartier „Mehr als wohnen“ auf dem Hunzikerareal in Zürich. Der Komplex umfasst 13 Baukörper mit 450 Wohnungen. Die Strategie der Architekten: sich Vertrautem annähern, das Uniforme vermeiden und die Dimensionen bewahren. „Gerade auf öffentlichen Plätzen entsteht Stadt. Wir haben die Gebäude deshalb unregelmäßig auf dem Areal verteilt und sie so zueinander gesetzt, dass Engstellen und Aufweitungen entstehen. Wir nennen das ,responding density‘ – die Häuser orientieren sich zueinander, wie in historisch gewachsenen Städten“, sagte Kaestle. Bei der Dimension habe man sich an städtischen Räumen orientiert, die bereits gut funktionieren, wie dem Idaplatz in Zürich.


Bundesweite Debatte um das, was Stadt ausmacht


Auf einer Podiumsdiskussion debattierten Florian Aicher, Architekt aus Leutkirch Illerwinkel und Experte für regionales Bauen, Alexander Koblitz, kleyer.koblitz.letzel.freivogel Architekten, Berlin, Roswitha Kaiser, Landeskonservatorin in Hessen und Ministerialrat Hans-Dieter Hegner, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Moderiert wurde die Debatte von Carl Zillich, Bundesstiftung Baukultur.


Vier praktische Projektbeispiele wurden anschließend in Tischgesprächen diskutiert. Als beispielgebend für die Berücksichtigung des historischen Kontextes und stadtbildprägender Ensembles stellte Rudolph Koehler, Q-batur Planungsbüro GmbH, energetische Fachwerksanierungen in Quedlinburg vor. Zum Thema „Herausforderung Kulturlandschaft“ berichtete Peter Ignaz Kirsten von der AIG GmbH Beraten & Planen aus Leinefelde-Worbis über das Projekt „Energieeffiziente Region Eichsfeld“, das sich der Herausforderung der Bewahrung von Kulturlandschaften widmet. In einem weiteren Tischgespräch mit dem Fokus „Bürgerschaftliches Engagement“ berichtete Martin Teigeler, Albert Speer und Partner GmbH, über die Sanierung der Heinrich Lübke-Siedlung in Frankfurt am Main. Die Gebäude werden im bewohnten Zustand saniert. Über das „Weltquartier“ in Hamburg, das unter dem Aspekt „Akteurskonstellation und Planungsprozess“ diskutiert wurde, referierte René Reckschwardt, IBA Hamburg GmbH. Hier galt es, einen ehemaligen Problembezirk umzugestalten zu einem durchmischten Quartier mit einem zukunftsweisenden Energiekonzept.


Um die Zusammenarbeit der Netzwerkakteure zu unterstützen, richtet die Bundesstiftung seit 2010 Netzwerktreffen aus: Dabei werden Strategien, Methoden und Projekte der Baukulturvermittlung zur Diskussion gestellt. Mit einem Dialog über beispielhafte Projekte will die Stiftung lokalen Akteuren eine Plattform bieten. Bislang fanden vier regionale, zwei bundesweite und ein internationales Netzwerktreffen statt.


Die Dokumentation von „Was riskiert die Stadt? Baukultur im Klimawandel“ erscheint im Dezember. Die Bundesstiftung plant zudem eine weitere Veranstaltung zum Thema energetische Quartierssanierung im April 2013.

 



Fotos: © Till Budde für die Bundesstiftung Baukultur

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