Bundesstiftung Baukultur fordert mehr Kreativität für Mobilitätskonzepte in Deutschland

Kopenhagen, Leiden und Luxemburg setzen Maßstäbe für unsere Städte: Der Konvent der Baukultur diskutiert am 17. und 18. Juni 2012 in Hamburg, wie die Verkehrsplanung für mehr Lebensqualität sorgen kann. Dabei nehmen Experten auch die Wilhelmsburger Reichsstraße unter die Lupe.


Begegnungszonen, zeitgemäß gestaltete Boulevards oder zurückgebaute Stadtautobahnen: Gute Ideen für eine baukulturell verträgliche städtische Mobilität kommen oft aus dem Ausland. Mit aller Konsequenz räumt man hier Fußgängern, Radfahrern und öffentlichen Verkehrsmitteln den Vorrang ein oder behandelt sie zumindest gleichberechtigt mit PKW. „Die Verkehrsinfrastrukturen sind das Nervensystem unserer Städte, doch sie dürfen nicht gegen die Stadt arbeiten. Gebt den Bewohnern den Stadtraum zurück! Weniger autogerechte Stadt, dafür bessere Mobilitätskonzepte. Unsere Nachbarländer zeigen wie es gehen kann“, erklärt Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur.


Was kann Deutschland von seinen Nachbarn lernen? Diese Frage diskutieren die Teilnehmer des Konvents der Baukultur K-2012, der am 17. und 18. Juni in Hamburg stattfindet. Ausgewählte Verkehrsprojekte aus Dänemark, den Niederlanden und Luxemburg dienen dabei als Vorbilder. Experten erörtern, inwiefern die Konzepte auf deutsche Städte übertragen werden können – Beispiele kommen aus Köln, Konstanz und der Konventsstadt Hamburg.


K–2012 will Impulse geben für neue Wege der Stadtgestaltung. Eröffnet wird der Konvent am 16. und 17. Juni mit der bundesweiten AKTION_BAUKULTUR. In zwölf Städten weisen künstlerische Interventionen auf Defizite der Verkehrsplanung hin. Am Plenartag versammeln sich am 18. Juni rund 350 Berufene, Bauherren, Planer, Architekten, Ingenieure und politisch Verantwortliche, um Verkehrsplanung und Baukultur zu diskutieren und Lösungsansätze zu präsentieren. Der Konvent schließt mit der Verabschiedung des Hamburger Appells für mehr Baukultur in der Verkehrsinfrastruktur.


Wie ein Bahnhofplatz zur Begegnungszone wird


Auto gegen Fahrrad, Bus gegen Taxi, Fußgänger gegen Straßenbahn – auf Bahnhofsvorplätzen treffen alle aufeinander. Konzepte wie shared space oder Begegnungszonen, die mehr Rücksichtnahme erfordern, lassen sich in Deutschland bislang nur schwer umsetzen. Auf dem Konvent stellt Baudezernent Kurt Werner Planungen zur Umgestaltung des Bahnhofplatzes in Konstanz vor. Ab diesem Jahr wird dieser zum verkehrsberuhigten Geschäftsbereich umgebaut – die Genehmigung für eine Begegnungszone wurde abgelehnt. In den Niederlanden geht das einfacher: Rients Dijkstra, Partner bei Maxwan Architects+Urbanists, stellt Planungen zum Bahnhofsquartier in Leiden vor. Dabei beinhaltet der Bahnhofsvorplatz einen shared space mit Zugang für alle Verkehrsteilnehmer.


Früher eine Verkehrsschneise, heute ein Boulevard


Der Rückbau der autogerechten Stadt gilt auch in Deutschland als Ideal. Kommunen fragen sich bei der konkreten Umsetzung aber nach der Finanzierbarkeit und Akzeptanz solcher Projekte. Der Sønder Boulevard in Kopenhagen, aufgewertet durch einen erweiterten Mittelstreifen mit Spiel- und Grünflächen, liefert Anregungen. Stig L. Andersson, Landschaftsarchitekt aus Kopenhagen, berichtet auf dem Konvent, wie das Projekt realisiert wurde. Als beispielhaft gelten die Einbeziehung von Anwohnern in die Planung – ein Punkt, der in Deutschland nicht erst seit Stuttgart 21 hochaktuell ist – sowie die niedrigen Kosten. 2,5 Millionen Euro wurden für eine Fläche von 1,6 Hektar veranschlagt. Die Leiterin des Stadtplanungsamtes Köln, Anne Luise Müller, berichtet anschließend, wie auch die Kölner Ringstraßen zu einem Boulevard umgewandelt werden sollen und stellt aktuelle Vorschläge interdisziplinärer Planungsteams vor.


Von der Stadtautobahn zur städtischen Allee


Dass Bundesstraßen ganze Quartiere zerschneiden können, zeigt ein Beispiel aus der Konventsstadt Hamburg. Der dichte Verkehr der Wilhelmsburger Reichsstraße ist zur Belastung für die Anwohner geworden. Im dritten Forum stellt Martin Huber, Leiter des Amtes für Verkehr und Straßenwesen der Freien und Hansestadt Hamburg, vor, wie die Straße an die Bahnschienen verlegt werden soll. Autos und Bahn können sich dabei den Lärmschutz teilen. Anregungen, wie Stadtteile über Verkehrstrassen hinweg verbunden werden können, liefert ein bereits realisiertes Projekt aus Luxemburg. Die zurückgebaute Kirchberg-Autobahn nutzen heute Fußgänger, Radfahrer und Autos nebeneinander. Der Landschaftsarchitekt Peter Latz stellt das Projekt vor.


Der Konvent der Baukultur 2012 bildet den Höhepunkte einer Debatte, welche die Bundesstiftung Baukultur über stadtverträgliche Mobilität initiiert hat. Als „Parlament“ der Stiftung tagt der Konvent alle zwei Jahre. Auf dem Konvent wählen die Berufenen die Gremien der Stiftung. Berufen werden Personen, deren Engagement für Baukultur allgemeine Anerkennung gefunden hat.



Bild 1: Verkehrsbaukultur aus Dänemark: Der Sønder Boulevard in Kopenhagen, realisiert vom Architekturbüro SLA (© SLA)
Bild 2: Von der Autobahn zum städtischen Boulevard: Latz+Partner haben die Kirchberg Autobahn in Luxemburg in eine achtreihigen Allee verwandelt (© André Weisgeber, Visions and More, Luxemburg)
Bild 3: Logo des Konvents der Baukultur 2012 | © Panatom für die Bundesstiftung Baukultur

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