Hamburg zeigt: Stadtentwicklung und Verkehr gehören zusammen!

Michael Braum, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur: Deutschland ist führend in der Herstellung anspruchsvoll gestalteter Fahrzeuge, von PKW bis ICE. Beim Entwurf von Verkehrsinfrastrukturen hinken wir jedoch hinterher – das zeigen viele Städte, wie auch Hamburg, Austragungsort des Konvents der Baukultur 2012.


Deshalb nimmt sich die Bundesstiftung Baukultur am 17. und 18. Juni auf dem Konvent dem Thema Verkehrsbaukultur an. Zuerst an einem Tag, welcher der Öffentlichkeit gewidmet ist, und anschließend auf der Plenarversammlung der 350 Konventsberufenen. Unter dem Motto STATT VERKEHR STADT untersuchen wir die Chancen für eine stadtverträgliche Mobilität.


Auch in Hamburg verkommt der öffentliche Raum in weiten Teilen zu einem Transitraum, insbesondere im Umfeld der Hauptstraßen. Exemplarisch dafür stehen die im Zuge des ehrgeizigen Wiederaufbaus geschaffenen Straßendurchbrüche, wie die Ost-West Straße, deren städtebaulichen Qualitäten sich auch mit ihrer Umbenennung in Ludwig-Erhard-Straße und Willy-Brandt-Straße nicht spürbar verändert haben. Dies ist der Bedeutung ihrer Namenspatronen nicht angemessen, ganz zu schweigen von der dort lebenden und arbeitenden Bevölkerung.


In unserem Hamburger Appell für mehr Baukultur in der Verkehrsinfrastruktur, den wir auf dem Konvent diskutieren, fordern wir in neun Thesen mehr Verantwortung für Baukultur. Hierzu gehört auch, dass die für Stadtentwicklung zuständige kommunale Behörde die Verkehrsinfrastruktur gestaltet. Doch in Hamburg liegt die Verantwortung dafür in der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Eine ganzheitliche Betrachtung des Verkehrs fördert dies nicht. Das ist umso bedauerlicher, da die Bedeutung des Verkehrs für die Baukultur und das Erscheinungsbild unserer Städte noch immer nicht erkannt ist.


Hamburg zeigt uns, worin die bundesweiten Herausforderungen für eine baukulturell verträgliche Mobilität liegen. Städtebaulich nicht integrierte Hauptstraßen, funktional und gestalterisch nur durchschnittliche oder schlecht konzipierte Umsteigemöglichkeiten zwischen den Verkehrsträgern zeigen: Hier besteht Handlungsbedarf.


Schilderwälder und rote Fahrradwege stören darüber hinaus die Qualitäten unserer Straßen und Plätze. Der schlechte Eindruck wird durch die Verwahrlosung verkehrsnaher Grünflächen unterstützt. Erleben kann man dies auf baukulTOURen , auf denen wir am ersten Tag des Konvents mit Bertram Weisshaar und Uwe A. Carstensen Hamburg erkunden. Begleitet werden die Touren durch die Sonntagspolitessen – eine von zwölf künstlerischen Interventionen, die im Rahmen der bundesweiten AKTION_BAUKULTUR im Vorfeld des Konvents stattfinden.


Bedenkt man, dass fast ein Viertel des Steueraufkommens der Bundesrepublik aus dem Automobilsektor, d.h. aus Entwicklung, Herstellung, Vertrieb und Nutzung von PKWs stammt, ist es um so schmerzlicher, dass diese Mittel nur zu einem geringen Teil in die Gestaltung und Pflege unserer Verkehrsanlagen fließen. Doch es sind nicht nur die fehlenden finanziellen Ressourcen, die dafür verantwortlich sind, dass es im Alltag unserer Verkehrsinfrastrukturen so aussieht, wie es aussieht. Es liegt auch daran, dass wir die Planung von Verkehrsanlagen bislang noch nicht als integralen Bestandteil der städtebaulichen Entwicklung sehen.


Der Umbruch, in dem sich die Mobilität derzeit durch Carsharing und Co. befindet, muss als Chance für einen qualitätvollen Stadtumbau genutzt werden. Ziel sollte eine stadtverträgliche Mobilität sein, bei welcher der Mensch im Mittelpunkt steht. Hamburg hätte, nicht zuletzt aufgrund seiner Innovationskraft, welche die städte-bauliche Entwicklung auszeichnet, ein solches ganzheitliches Verständnis verdient.

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