Jury ernennt zwölf künstlerische Interventionen zum Konvent der Baukultur 2012

Sonntagspolitessen, eine Liebesszene aus dem Film Titanic und ein sprechender LKW

Am 30. November 2011 hat eine fünfköpfige Jury die Auswahl aus rund hundert eingereichten Projekten getroffen. Zwölf Interventionen werden am 17. Juni 2012 den Konvent der Baukultur K-2012 öffentlichkeitswirksam begleiten und auf Defizite und Gestaltungsspielräume der Verkehrsplanung hinweisen.


„Die ausgewählten Projekte zeigen, wie die Öffentlichkeit in einer spielerischen und proaktiven Weise für die Probleme unserer Verkehrsinfrastrukturen sensibilisiert werden kann“, sagte Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur und Vorsitzender der Jury. Mit dem Konvent der Baukultur K-2012 STATTVERKEHRSTADT widmet sich die Bundesstiftung Baukultur am 17. und 18. Juni 2012 in Hamburg dem Thema Verkehrsbaukultur. Nach dem ersten Konvent 2010 in Essen wird der nächste Konvent erstmals dezentral durch die AKTION_BAUKULTUR begleitet, die am Sonntag, den 17. Juni stattfindet.
Die Jury wählte aus rund hundert eingereichten Projektvorschlägen zwölf Interventionen aus, die im ganzen Bundesgebiet stattfinden und von der Bundesstiftung eine Anschubsfinanzierung von jeweils 2.000 Euro erhalten. In dem Auswahlgremium waren neben Michael Braum, Bundesstiftung Baukultur, Matthias Böttger, Kurator, Deutsches Zentrum für Architektur, Dagmar Hoetzel, Architekturjournalistin, Ulla Luther, Staatsrätin a.D. und Silja Schade-Bünsow, Geschäftsführerin des Fördervereins Bundesstiftung Baukultur e.V. vertreten.

Interventionen fordern mehr Platz für Fußgänger


Dass in Städten zu wenig Platz für Fußgänger bleibt, war Thema einiger erfolgreich eingereichter Projektvorschläge. So genannte „Gehzeuge“ hat das Team von fairkehr – Verein für verkehrspolitische Bewusstseinsbildung erfunden: Bei der „Gehzeugaktion“ laufen Fußgänger mit Holzrahmen in der Größe von Autos durch die Stadt und nehmen denen ordentlich Platz weg. Dieses Motto gilt auch in Bonn, wenn die „SPACEmaker“ in die Innenstadt vordringen. An den Armen tragen sie großflächige, viereckige Wandmodule. Studenten der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft und der RWTH Aachen führen die Aktion durch. Seltsame Objekte erobern auch Kyritz in Brandenburg: Lebensgroße weiße Kuben mit roten Pfeilen rollen im Rahmen von „JugendMobil“ durch die Straßen. Darin laufen Jugendliche auf Rollerblades oder Skateboards. Das Konzept stammt von der Künstlerin Kiki Gebauer und Harald Meergans von der Freien Planungsgruppe Berlin.

Große Emotionen im Stadtverkehr


Urbane Räume sollen Aufenthaltsqualitäten besitzen und sich nicht nur am Bedürfnis nach Mobilität ausrichten – das fordern viele Initiativen. Und so werden die Überreste einer Fußgängerbrücke in Offenbach durch „Rose und Jack“ zum Sehnsuchtsort.


Der Brückenstumpf wird zur Bugspitze der Titanic umfunktioniert. Paare spielen hier die berühmte Kussszene aus dem gleichnamigen Film nach und erinnern an den Untergang der autogerechten Stadt. Die Idee stammt von den Künstlern Wiebke Grösch und Frank Metzger. In Wismar dagegen schafft Ton Matton, Professor an der dortigen Hochschule, mit seinen Studenten ein „Theaterstück für 300 PKWs“. Er möchte aus Autos, die, wie er sagt „asozial“ sind, neue Sozialräume schaffen. Mit einer „Verkehrs-chaos-Oper“ greift das Künstlerkollektiv Nego in den Stadtverkehr in Halle an der Saale ein. „Wir werden die Autofahrer zu Geduld, Humor und Rücksicht erziehen“, so die Initiatoren.

Ein LKW bittet zum Tanz


Was machen wir an der Ampel, während wir warten? Was könnte unerwartetes passieren? Einige Künstler nutzen die kleinen Pausen des Alltags, um zum Nachdenken anzuregen. „Hallo Sie! Haben Sie das Radio an?“ Dass ein LKW kommunizieren und gar zum Tanz auffordern kann, zeigen die „Dialoge bei Rotlicht“. Hinter der Idee stecken die Künstler Diana Wesser und David Voss aus Leipzig. Das Team von après-nous gestaltet die Grünphase einer Ampel in Berlin dagegen zur „jam session“ für Fußgänger. Ein Zebrastreifen dehnt sich in alle Himmelsrichtungen aus, die Beatles singen „Come together now!“ Bei Gelb erhöht sich die Geschwindigkeit der Musik, bei Rot ist nur noch das Geräusch der fahrenden Autos zu hören.

Den Code geknackt


Weitere Projekte der AKTION_BAUKULTUR setzen althergebrachte Regeln und Prinzipien außer Kraft. So belohnen die „Sonntagspolitessen“ gutes Verkehrsverhalten in Hamburg und verteilen Bonuszettel – finanziert aus den Beiträgen der Verkehrssünder. Das Scharlatan Theater Hamburg und osp urbane Landschaften realisieren die Aktion. Was aber passiert, wenn sich die Regeln des Verkehrs komplett verändern? Einen „Code-Hack“ plant ein Studententeam vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Mit einer Vervielfältigung von Parkplatzlinien sorgen sie dafür, dass Parkplatzsuchende, gefangen in einem Raster aus weißen Linien, sich neu orientieren müssen. Fehler im öffentlichen Raum sind auch das Thema von Lukas Adolphi. Durch übereinander gespannte Baustellenbänder schafft er im Rahmen von „all change please/bitte alles ändern“ unerwartete Absperrungen. Fließt der Verkehr oder stockt er schon? Sieben LKWs in Kolonne, die den Kreisverkehr lahmlegen sorgen im Projekt „roundabout“ dafür, dass der Verkehr still steht – obwohl doch alles fließt. Die Idee stammt von der Künstlerinnengruppe msk7 aus Berlin.


Die AKTION_BAUKULTUR wird durch die Initiatoren in Kooperation mit lokalen Partnern medien- und öffentlichkeitswirksam ausgetragen.



 

Nach oben