Künstler gehen für bessere Verkehrsplanung und Baukultur auf die Straße

Mit originellen Aktionen in zwölf Städten zeigen Kreative, was sie am Verkehr stört – und wecken positive Gefühle im Stadtraum.


12 Städte, 12 Interventionen und 12 Mal Einsatz für eine bürgerfreundliche Verkehrsplanung. Am 16. und 17. Juni 2012 wirbeln Künstler im Rahmen der AKTION_BAUKULTUR deutsche Städte auf und machen diese besser nutz- und genießbar – trotz des allgegenwärtigen Verkehrs: Spendable Politessen belohnen verkehrsgerechtes Verhalten, spontane Picknicker behindern den Verkehr, LKWs flirten und PKWs tanzen Ballett. Die Interventionen sind der Auftakt zum Konvent der Baukultur K-2012, der am 17. und 18. Juni unter dem Motto STATT VERKEHR STADT in Hamburg stattfindet.


Die Bundesstiftung Baukultur als Veranstalter will mit der AKTION_BAUKULTUR für eine bessere Verkehrsplanung in Deutschland werben. „Da sie direkt unsere Lebensqualität beeinflussen, gehen die Verkehrsräume uns alle an“, erklärt Michael Braum, Vorstands-vorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. „Mit den Interventionen wollen wir auf Problemfelder aufmerksam machen. Die Aktionen widmen sich den wichtigsten Herausforderungen, denen sich die Planer im kommenden Jahrzehnt stellen müssen.“ Interventionen finden in Berlin, Bonn, Dresden, Halle an der Saale, Hamburg, Hannover, Kyritz, Leipzig, München, Offenbach, Schwerin und Wismar statt.


Komfortzone Stadtraum


Wartezeiten, Lärm, Sicherheitsrisiken – der öffentliche Raum und die Verkehrsplanung in unseren Städten zeigen sich wenig nutzerfreundlich. „Zu selten setzen wir uns damit auseinander, wie sich Komfort und Ästhetik mit Verkehrsplanung verbinden lassen“, sagt Michael Braum. So versüßt ein LKW in Leipzig mit den „Dialogen bei Rotlicht“, unterhaltsam die Wartezeit an der Ampel. In Dresden verwandelt der Künstler Stefan Hurtig Straßenbahn-Haltestellen in Mini-Konzerthäuser, indem er dort Gesangseinlagen zeigt. „Singers’ Corners“ heißt sein Projekt. Ähnlich sorgen auch die Verkehrs-Chaos-Oper in Halle an der Saale und spendable Sonntagspolitessen in Hamburg für gute Stimmung. „Positive Gefühle kommen im Stadtverkehr bisher zu kurz“, so das Künstlerkollektiv_Nego, das die Aktion in Halle plant.


Bühne frei für Fußgänger


Autos dominieren vielerorts den Verkehr und so wird ihnen auch der meiste Raum zugebilligt. Bislang – denn viele Städte setzen sich damit auseinander, wie sie schwächeren Verkehrsteilnehmern mehr Platz einräumen können – sei es durch breitere Bürgersteige, begrünte und stillgelegte Fahrspuren oder „Shared Space“-Flächen, auf denen sich Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt begegnen. Anregungen dafür liefern die „SPACEmaker“ in Bonn: Studierende der Alanus Hochschule und der RWTH Aachen gestalten mit mobilen Wänden neue Stadträume. Was kann aus einer öden Verkehrs-insel werden? In Hannover laden die Cityförster Anwohner auf dem Lichtenbergplatz zu einem opulenten Festmahl ein. Und die „Gehzeugaktion“ in München zeigt, wieviel Raum in der Stadt entsteht ohne das leidige Automobil: 4,3 mal 1,7 Meter für jedes Fahrzeug weniger.


Weitere Aktionen setzen – zumindest für einen Tag – die Regeln des Stadtverkehrs außer Kraft: In Wismar tanzen PKWs Ballett, in Berlin bewegt sich ein Zebrastreifen, in Schwerin kommen Absperrbänder künstlerisch zum Einsatz. Durch die branden-burgischen Städte Kyritz und Neustadt an der Dosse rollen merkwürdige rote Kuben. Kann es zu einem Happy End kommen bei der Vereinbarkeit von Baukultur und Verkehrsplanung? Zumindest der Kuss von „Rose und Jack“ auf einer Fußgängerbrücke in Offenbach suggeriert den Untergang der autogerechten Stadt.


Impulsgeber für neue Ansätze in der Stadtgestaltung


Die Aktionen wurden aus rund hundert eingereichten Vorschlägen von einer Jury ausgewählt. Alle Projekte erhalten von der Bundesstiftung eine Anschubfinanzierung von jeweils 2.000 Euro. Sie eröffnen den Konvent der Baukultur in Hamburg. Der Konvent bildet den Höhepunkt einer Debatte, welche die Bundesstiftung über stadtverträgliche Mobilität initiiert hat. Am Plenartag, dem 18. Juni, versammeln sich rund 350 Berufene – Bauherren, Planer, Architekten, Ingenieure und politisch Verantwortliche – und diskutieren über die Vereinbarkeit von Baukultur und Mobilität. Der Konvent schließt mit der Verabschiedung des Hamburger Appells, der konkrete Empfehlungen abgibt. Als „Parlament“ der Stiftung tagt der Konvent alle zwei Jahre. Auf dem Konvent wählen die Berufenen die Gremien der Stiftung. Berufen werden Personen, deren Engagement für Baukultur allgemeine Anerkennung gefunden hat.
 


Bild 1: "Jedes Auto weniger macht 4,3 x 1,7 Meter mehr!": Die "Gehzeugaktion" findet am 17. Juni in München statt | © fairkehr – Verein für verkehrspolitische Bewusstseinsbildung
Bild 2: "Geduld, Humor, Rücksicht!" Mit der "Verkehrs-Chaos-Oper" startet das Künstlerkollektiv_Nego am 16. Juni eine Erziehungsmaßnahme in Halle | © Emanuel Schulze
Bild 3: "Von einem Ort zum anderen kommen - das ist schwer" - "Jugendmobil" macht in Kyritz und Neustadt an der Dosse auf Mobilitätseinschränkungen im ländlichen Raum aufmerksam | © Kiki Gebauer
Bild 4: Logo des Konvents der Baukultur 2012 | © Panatom für die Bundesstiftung Baukultur

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