Netzwerktreffen Süd: „Baukultur ist Partizipationskultur“

Transparenter Partizipationsprozess gefordert

Am 29. Juni fand in Ulm das erste Netzwerktreffen der Bundesstiftung Baukultur in Süddeutschland statt – in Kooperation mit der Architektenkammer Baden-Württemberg, Kammergruppe Ulm/Alb-Donau-Kreis, dem architekturforum kempten e. V. und dem Fachgebiet Architekturkommunikation (a*komm) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Im Fokus der Veranstaltung stand die Aussage „Baukultur ist Partizipationskultur“. Baukulturvermittler, -akteure und -institutionen aus den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern sowie Medienvertreter und „Querdenker“ aus dem gesamten Bundesgebiet trafen sich im Ulmer Stadthaus (Architekt: Richard Meier, 1993) und diskutierten in Tischgesprächen die Themen

  • Bauen in der offenen Gesellschaft: Partizipation und Interaktion über neue Medien
  • Wo verkehrt die Baukultur? Partizipation im Rahmen von Infrastrukturprojekten
  • Baukultur macht Schule! Partizipation bei Bildungsbauten
  • Wem gehört die Stadt-Landschaft? Partizipation in der Freiraumplanung


Die regionalen Netzwerktreffen „Eine Sprache für die Baukultur“ bilden im Rahmen der Veranstaltungen der Bundesstiftung Baukultur ein eigenständiges Format, in dem aktuelle Strategien, Methoden und Beispiele der Baukulturvermittlung anhand von bundesweit relevanten Fragestellungen zur Diskussion gestellt werden.


Bürgerbeteiligung ist nicht erst seit den Protesten gegen das Großprojekt Stuttgart 21 ein wichtiges Thema für Politik und Planung. Vielmehr ist sie schon seit drei Jahrzehnten im Baugesetzbuch verankert. Die aktuelle Entwicklung macht jedoch deutlich, dass es notwendig ist, darüber zu diskutieren, welche Chancen und Grenzen in der Bürgerbeteiligung im Planungsprozess liegen und welche gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen heute angemessen und notwendig sind.

„Die Zeiten, in denen die Planer den Menschen die Welt erklärten, sind vorbei“, sagte der Ulmer Baubürgermeister Alexander Wetzig in seinem Statement. Für ihn seien öffentliche Planung und Partizipation keine Harmonieveranstaltung, sie kosteten Zeit, Geld und Nerven, seien aber zwingend erforderlich, um für die Zukunft der Stadtentwicklung Rechtssicherheit zu erhalten.

„Städte und Gesellschaften sind unterschiedlich.“ Nach Meinung der ehemaligen Münchner Baudezernentin Christiane Thalgott ist die Akzeptanz von Bauprojekten ein Indikator für die Lage einer Gesellschaft. Partizipation sei daher eine Daueraufgabe, sie erfordere Geduld sowie Respekt und sie brauche Architekten und Planer, die zu überzeugen vermögen und auf unterschiedliche Mitwirkungsgewohnheiten eingehen können.

Wie diese aussehen können, stellte der Hamburger Stadtplaner und Gründer von urbanista Julian Petrin vor. Am Modellprojekt „NEXTHAMBURG Stadt weiter denken“ zeigte er eine Vielzahl neuer Instrumente auf, um lokale Demokratie zu organisieren und kollektives Wissen zu sammeln. „NEXTHAMBURG funktioniert wie ein Frühwarnmelder“, so Petrin, das koste zwar Geld, sei als „Zukunftslabor“ aber jeder Kommune zu empfehlen.
In den sich anschließenden vier Tischgesprächen erarbeiteten die rund 60 Teilnehmer des Netzwerktreffens Thesen zur Verbesserung der aktuellen Partizipationskultur:

  • Die neuen Medien helfen, Planungsprozesse transparenter zu machen. Jedoch sollte nicht zu viel Geld in Software investiert werden sondern mehr in „Brainware“, also in die konzeptionelle Entwicklung individueller Instrumente, wie sie im Hamburger Beispiel zu finden sind.
  • Damit Baukultur einziehen kann, braucht zum einen die Politik wieder mehr Zustimmung und eine neue Kultur in den Verwaltungen. Zum anderen müssten aber auch die Planungsverfahren verkürzt werden sowie flächendeckend Bürgerentscheide mit entsprechenden Quoren möglich sein.
  • Um mehr und bessere Partizipation zu ermöglichen, bedarf es eines finanziellen Grundstocks. Außerdem müssen künftig alle Beteiligten frühzeitig, also bevor die ersten Pläne auf dem Tisch liegen, eingebunden sein – nicht nur bei Bildungsbauten.
  • Nicht nur für die Partizipation in der Freiraumplanung sind Motivation, bessere Instrumente und die Stärkung von Netzwerken nötig. Die Bürgerschaft muss bisweilen auch noch zum Mitwirken befähigt oder zunächst mobilisiert werden. Erfahrungen sollten auf einer Kommunikationsplattform gesammelt werden. 

Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, zog das Fazit: „Baukultur ist Partizipationskultur und ein Ausdruck gelebter Demokratie. Damit Baukultur gelingt, brauchen wir transparente und faire Planungsprozesse. Dafür ist es notwendig, zivilgesellschaftliches Engagement verstärkt einzubeziehen. Das erfordert ein hohes Maß an Offenheit auf Seiten von Politik und Verwaltung, jedoch auch die Bereitschaft der Bürger, neuen Projekten konstruktiv zu begegnen.“
 

 

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