Was bewegte den Stadtraum in Frankfurt?

Statt Verkehr Stadt! Unter dieser Devise forderte die Bundesstiftung Baukultur in Frankfurt am Main im Rahmen von BAUKULTUR_VOR_ORT am 3. November 2011 eine anspruchsvollere Planung öffentlicher Verkehrsräume. 


In Kooperation mit der dem Stadtplanungsamt Frankfurt am Main präsentierte die Bundesstiftung am 3. November ein Programm aus einem Stadtspaziergang „baukulTOUR“ in Verbindung mit einer künstlerischen Intervention und einem Podiumsgespräch, für das sie rund 150 Baukulturinteressierte begeistern konnte. 


„Wir müssen öffentliche Räume so entwerfen, dass sie mehr sind als ein Zufallsprodukt der Verkehrsplanung!“ forderte Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. „Die Stadt Frankfurt geht engagiert an baukulturelle Herausforderungen heran, am Bahnhofsvorplatz etwa“. Nach ähnlich gelagerten Veranstaltungen in Leipzig und Karlsruhe stand auch die Frankfurter Diskussion unter dem Motto „Statt Verkehr Stadt“. Mit der Reihe will die Bundesstiftung Entwerfende und Entscheidende, sowie die interessierten Öffentlichkeit zu mehr Mut und in der Stadt- und Verkehrsplanung bewegen. 


Bewegung kam auch in die Frankfurter Innenstadt, als Performancekünstler von bb22 den Stadtraum für sich entdeckten. Über dem Gutleuttunnel, wo Straßen über Straßen für Wirrwarr sorgen, lieferten sie sich mit Autofahrern inszenierte Wettrennen an der Ampel. Muss der Verkehr immer Vorfahrt haben? Wie kann man den Stadtraum besser nutzen? Eine Ballerina, die sich über das Geländer des Gutleuttunnels beugte wurde zur Metapher für überstrapazierte, dem Verkehr untergeordnete Stadträume – oder der Trommler, der versuchte, dem Verkehrslärm seine Beats entgegenzusetzen. Die Stadt- und Raumplanerin Ursula Stein führte im Gespräch mit Dieter von Lüpke, Leiter des Frankfurter Stadtplanungsamtes, im Rahmen der baukulTOUR durch die Brennpunkte des Stadtverkehrs. 


Wie kann man öffentliche Plätze besser gestalten ohne dabei auf Mobilität zu verzichten? Wie kann die Perspektive der Bürger in Planungsvorhaben einfließen? Was kann man von den europäischen Nachbarn in punkto Gestaltung von Verkehrsplanung lernen? Das debattierten bei der abendlichen Podiumsdiskussion Oliver Schulze (Gehl Architects Kopenhagen), Christian Dobrick, (West 8, Rotterdam), Willi Hüsler (IBV Hüsler AG, Zürich) und Marc Ulrich (Deutsche Bahn AG, Berlin). Moderiert wurde die Runde von Michael Braum (Bundesstiftung Baukultur). 


„In unserem Büro beginnt die Planung mit Beobachtungen: Wir schauen, wie die Menschen sich im Stadtraum bewegen. Dann erst legen wir los mit der Planung,“ sagte Oliver Schulze vom dänischen Planungsbüro Gehl Architects. Mit dem Bild einer Schneeballschlacht auf dem New Yorker Times Square demonstrierte er, wie das Büro neue Räume für Leben in der Stadt schafft. „Der Mensch muss in den Mittelpunkt rücken – das ist das Verständnis der humanistischen Planungskultur in Skandinavien“, berichtete Schulze. In Deutschland dauerten Planungsprozesse zu lange. In anderen Ländern verliefen die Projekte dagegen viel dynamischer. 


Christian Dobrick, Landschaftsarchitekt vom niederländischen Planungsbüro West 8 monierte ebenfalls: „Man muss auch mal lächeln können. In Deutschland verlaufen die Planungen furchtbar ernst. Projekte von West 8, die er zeigte, reichten von einer Untertunnelung der Madrider Stadtautobahn im Rahmen des „The Madrid Río Project“ bis zu einem Autobahnkreuz in der niederländischen Stadt Leeuwarden. „Wir brauchen eine Ästhetisierung der Infrastruktur: Verkehrsknotenpunkte zu verbinden, kann zum visuellen Erlebnis werden“, so Dobrick. Eine anspruchsvolle Gestaltung bedeute aber, von Konzepten wie „Straßenbegleitgrün“ abzusehen. „Wir müssen die Eigenschaften eines jeden Ortes ernst nehmen“, beschrieb er die Philosophie des Planungsbüros. 


„Geschwindigkeit und Mobilität sind keine unverhandelbaren Notwendigkeiten, zu dieser Erkenntnis sind auch wir Verkehrsplaner gekommen“, sagte Willi Hüsler von der IBV Hüsler AG aus Zürich. Wie also mehr Leben in die Stadt bringen und Fußgängern Räume zurückgeben? Dafür hatte Hüsler gleich einen praktischen Hinweis. „Als ich die Kaiserstraße sah, habe ich mich gefragt: Warum gibt es da keine Straßenbahn? Das würde für Leben sorgen!“ Hüsler verglich die Straßenbahn in Straßburg mit der Metro in Paris und schlussfolgerte: „Ein oberirdische System ist nicht unbedingt langsamer – es kommt auf die Haltestellendichte an.“ 


Über die Herausforderung, eine Masse von Verkehrsteilnehmern zu bewegen, berichtete Marc Ulrich von der DB Station und Services AG, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, das zuständig ist für Personenbahnhöfe: „Wir betreiben 5.500 Bahnhöfe mit einem Verkehrsaufkommen von 14 Millionen Reisenden am Tag. Um Bahnhöfe zukunftsfähig zu gestalten, müsse man sich von starren Nutzungskonzepten entfernen: „Das Temporäre zuzulassen ist wichtig. Viele Infrastrukturen werden mit dem Anspruch gebaut, über hundert Jahre zu bestehen. Ob die Nutzung tatsächlich für den Zeitraum und in der festgelegten Form erfolgt, sei fraglich. 


Im Juni 2012 wird die Bundesstiftung mit dem Konvent der Baukultur K_2012 in Hamburg die baukulturellen Herausforderungen im Kontext der Mobilität vertiefen. 

 


Bilder: © Tobias Kuberski für die Bundesstiftung Baukultur 2011

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